Kurzgeschichte: Die Künstlerin
Impressum

Um die geweckten Sehnsüchte nach Abenteuer und außergewöhnlichen Taten in richtige Bahnen zu lenken, fügte sie eine zweite Geschichte dazu, die "Vom gütigen Sponsor". Für sich bezeichnete sie sie als "Anleitung zum Professor Unrath".

Nein, sie war keineswegs eine billige Betrügerin oder gar eine Nutte. Sie war tatsächlich Künstlerin – sie transferierte ihr Leben in eine Illusion, sie war die vollkommene Verkörperung eines Traums.
Ihres und ihrer Männer. Für sich baute sie eine Welt der ewigen Bewunderung, finanzieller Absicherung, scheinbarer Perfektion auf.
Ihre Männer umspannte sie mit einer Aura des Intellektuellen, des Geheimnisvollen, des Ungewöhnlichen.

Um nicht aus der Rolle zu fallen, um die Oberhand zu behalten, begann sie Kant, Freud, Marx und Maturana zu lesen oder gar frei zu zitieren.
Sie besorgte sich auch einen umfangreichen Bücherschrank, den sie mit alten Schinken von Flohmärkten füllte. Glücklicherweise kam keiner von ihren Besuchern je auf die Idee, eines der Bücher in die Hand zu nehmen. Denn ihre ehrwürdige Sammlung enthielt überwiegend alte Drei-Groschen-Romane und Kochbücher.

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